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Lass uns doch "Du" sagen | Interview zur neuen Führungskultur

18.Oktober 2016  

Du ist das neue Sie. Oder so ähnlich. Was verändert sich, wenn im Unternehmen das Du zur Pflicht wird? Dazu beantworte ich im folgenden Interview einige Fragen.

Kann duzen Teil einer Führungsstrategie sein? Gibt es einen generellen Trend zum „Du“ bzw allgemein zu einem freundschaftlicheren Umgang im Job?

Ein Du erzeugt auf den ersten Blick eine größere Nähe, als das formelle Sie. Das kann künstlich wirken, wenn die Kommunikationskultur gar nicht so freundschaftlich ist, wie das Du suggeriert.

Das bringt mich zum wichtigsten Punkt. Weniger als auf Sie oder Du kommt es auf die innere Haltung an: Sage ich nur Du zu meinen Mitarbeitenden, oder meine ich damit wirklich eine offene, feedbackorientierte Führungskultur.

Da erleben wir gerade eine Veränderung, vielleicht auch bedingt durch die Generation Y, die jetzt in den Unternehmen ankommen und zunehmen auch Führungsverantwortung übernehmen: Die Vereinbarung Geld gegen Arbeitszeit klappt nicht mehr. Immer mehr Mitarbeitenden erwarten auch sinnvolles, selbstbestimmtes Arbeiten, eine offene und transparente Kommunikation und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten. Das zwingt Führungskräfte, mitarbeiterorientierter zu führen.

Agieren die Führungskräfte heute anders als jene früherer Generationen? Sanfter? Distanzloser?

Ich denke, die Digitalisierung spielt eine größere Rolle, als viele glauben. Heute muss ich keinen Termin mehr vereinbaren, um dann meiner Führungskraft in einem repräsentativen Büro gegenüber zu sitzen. Heute genügt eine kurze E-Mail, die eben so schnell geschrieben wie beantwortet ist. Der Druck, direkt zu antworten ist dadurch größer – sowohl für Mitarbeitende, als auch für Führungskräfte. Das führt zu schnelleren, vielleicht auch weniger durchdachten Entscheidungen. Der Draht zu den Mitarbeitende ist direkter, läuft dann oft aber auch nebenher, mit nur einem Ohr.

Wir haben z.B. In eine Studie das Entscheidungsverhalten am Arbeitsplatz mit dem Entscheidungsverhalten im Freizeitkontext verglichen, wenn ich also mal eben Zuhause, unterwegs oder auf dem Sportplatz eine E-Mail beantworten. Wir konnten zeigen, dass Menschen im Freizeitkontext weniger entscheidungsfreudig sind, im Schnitt also weniger risikoreiche Entscheidungen treffen. Studien wie diese zeigen, dass wir veränderten Arbeitsbedingungen z.B. Durch mobile Arbeiten einen großen Einfluss haben.

Wie viel Distanz braucht es für ein produktives Arbeitsklima? 

Eine erfolgreiche Führungskraft gibt die Richtung vor, und lässt den Mitarbeitenden dann Freiräume, überträgt Entscheidungen und schafft Raum für kreative Lösungen. Das schafft ein produktives Arbeitsklima.

Dafür braucht es Beides: Nähe und Distanz.

Nähe ist notwendig, damit Vertrauen entsteht und Kommunikation gelingen kann, das Feedback und Kritik offen und ehrliche ausgetauscht werden. Dazu gehört auch mal das gemeinsame Bier nach Feierabend oder die Frage, wie der Urlaub war.

Distanz ist aber letztlich die Voraussetzung für langfristige Gesundheit, sowohl für Mitarbeitende als auch für Führungskräfte. Nur wenn ich die eigene Arbeit auch mal hinter mir lassen kann, übers Wochenende oder im Urlaub nicht erreichbar bin, und einen Freundeskreis habe, der nicht zur aus Kolleginnen und Kollegen entsteht, kann ich wirklich abschalten. Das ist unbedingt notwendig für die Erholung. Und: Eine gewisse Distanz kann es erleichtern, auch schwierige Entscheidungen nüchtern, durchdacht und zielorientiert zu treffen. Auch das müssen Führungskräfte können.

Wie geht man als Arbeitnehmer am besten damit um, wenn der eigene Chef ein Duz-Freund ist und umgekehrt?

Innerhalb eines Teams würde ich es offen ansprechen: „Übrigens, Herr Meier und ich kennen uns aus dem Studium, deshalb sagen wir Du zueinander.“  Im Job ins „Sie“ zu wechseln, wirkt aufgesetzt und geht meistens schief – erst recht, wenn Sie einen guten Bekannten auf einmal Siezen, nur weil Sie jetzt der Chef sind. Im Außenkontakt, z.B. gegenüber Kunden kann es sinnvoll sein, ins „Sie“ zu wechseln. Das müssen Sie aber im Vorfeld gemeinsam festlegen.

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